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Internationaler Kongress: Venezuela nach Hugo Chávez
20. – 21. April 2013 in Köln

 

Panel 2

Panel 2: Die Konstruktion eines neuen Machtkonzepts: „Partizipative und Protagonistische Demokratie“ sowie „Misiones Bolivarianas“

Korruption, Ineffizienz, Klientelismus und Misswirtschaft haben traditionell die politische Kultur und die politischen Institutionen in Venezuela geprägt. Venezuelas System der repräsentativen Demokratie war Ende der 1990er Jahre so stark delegitimiert, dass 1998 mit Hugo Chávez der größte politische Außenseiter die Präsidentschaftswahl klar gewinnen konnte. Chávez gewann die Wahl unter anderem mit dem Versprechen, dieses System radikal umzugestalten. Die kurz darauf vom Volk gewählte „Asamblea Constituyente“ (Verfassungsgebenden Versammlung) hat 1999 eine neue, „bolivarianische“ Verfassung ausgearbeitet. Von diesem Zeitpunkt an wurden ein neues Machtkonzept mit neuen Institutionen und einer neuen „bolivarianischen“ politischen Klasse sowie eine relativ hohen Anzahl an Wahlen und eine innovative Demokratievision, die so genannte „Partizipative und Protagonistische Demokratie“ vorangetrieben. Diese Demokratievision fördert die aktive Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger und kommt damit vor allem den Marginalisierten zu Gute, die im Rahmen der (neo)kolonialen „sociedad de castas“ (Kastengesellschaft) weitgehend von einer wirkungsvollen Partizipation ausgeschlossen waren. Die neue Institutionalisierung ist grundlegend für den gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandlungsprozesses. Dieser Prozess beinhaltet sowohl tiefe, innere Widersprüche als auch Innovationen in Bezug auf demokratische Organisationsformen mit einer direkteren Einbindung der Bürger in den politischen Willensbildungsprozess. Kritiker des neuen Machtkonzepts bemängeln vor allem eine Machtkonzentration der Exekutive und die fortwährend paternalistisch geprägte politischen Kultur. Befürworter der Regierung heben dagegen die gestiegene Demokratisierung auf lokaler und regionaler Ebene sowie den progressiven Charakter der getroffenen Regierungsmaßnahmen hinsichtlich der politischen und sozialen Bürgerrechte hervor.

Eine besondere Strategie der Sozialpolitik verfolgt die Chávez-Regierung seit 2003 mit den so genannten „Misiones Bolivarianas“. Der Fokus dieser Sozialpolitik liegt auf der Armutsbekämpfung und in der Rückerlangung sozialer Rechte, finanziert wird sie vor allem durch die Einnahmen des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA. Chávez-Gegner kritisieren, dass diese Umverteilung der Erdölrente an staatlichen Institutionen vorbei erfolge und bemängeln darüber hinaus die technischen und organisatorischen Unzulänglichkeiten dieser Sozialmaßnahmen sowie eine fehlende Transparenz der Mittelzuweisungen. Im Endeffekt seien sie populistische Einrichtungen, deren Implementierung die strukturellen Ursachen der Armut nicht bekämpfen, so die Kritiker. Tatsächlich war es der Regierung Chávez nicht gelungen, eine Umverteilung über traditionelle sozialpolitische Mechanismen und staatliche Institutionen zu erreichen, da zahlreiche bürokratische Hürden des alten Systems noch vorhanden sind, welche jegliche Bemühungen zu wesentlichen Veränderungen blockieren.
Auf der anderen Seite haben die „Misiones Bolivarianas“ nachweisbar wichtige soziale Fortschritte erzielt, die von vielen internationalen Institutionen anerkannt sind. Sie zielen nicht nur auf traditionelle Themen der Sozialpolitik wie Gesundheit, (Aus)bildung, Ernährungs-, Wohnungs- und Arbeitspolitik, sondern auch auf die Rechte von bestimmten sozialen Randgruppen wie alleinerziehenden Müttern, Obdachlosen, Indigenen und Leuten mit Behinderung ab. Ferner gibt es auch „Misiones Bolivarianas“ im Zusammenhang mit der Agrarreform, Energiepolitik, Ökologie, Musik und kulturellen Projekten.
 

20.4.2013, 14:15 – 15:45 Uhr

Referenten: Dario Azzellini, Andrés Otálvaro

 

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